Die schweigende Dichtung
Anfang
das Ende
Ende
der Anfang.
Der Moment der Ankunft
das Ende des Weges;
ein Ende,
das kaum angekommen
aufhört Ende zu sein.
Sinn,
der sich verflüchtigt
sobald ich ihn artikuliere.
Manifestation: Auflösung
Rückkehr in eine Welt,
die vor der Sprache liegt
Der Weg des poetischen Schreibens
verliert sich
in der Auflösung der Schrift
und führt am Ende
vor eine unaussprechliche Wirklichkeit,
eine von der Dichtung enthüllte
hinter der Sprache erscheinende
Wirklichkeit
sichtbar nur
bei Vernichtung der Sprache,
aus der
das poetische Handeln besteht.
Uns beschenkt mit Worten
verdammt jedoch
zum Schweigen.
***
Nostalgie
Am Spiegel ging ich vorbei
Im Spiegel regnete es.
Die Nässe von Regentropfen
Glitten herab
Über meinen glatten Wangen
Und wuschen aus
durch ihre Rinnen
mein schwärzliches Gesicht.
Unter dem Wasserfall des Regens
stehe ich nun,
und erwarte mich selbst
voller Wucht.
Die feuchten Fußmatten
stinkig und verfault
würden nie erfahren,
dass meine Schuhsohlen
sich zuvor gebadet haben
in den dreckigen Pfützen
auf den Steinpflastern der Gassen,
und jetzt
voller Freude über Nässe und Frische
auf dem naheliegenden Bahnhof
die Fliesen des Bahnsteigs aufzählen
***
Härte
Wir werden hin- und hergerissen
zwischen dem Drang
zu erkennen
Und der Verzweiflung
erkannt zu haben.
Der Stachel bleibt
bei seinem Brennen,
wir bleiben
bei unserer Hoffnung.
***
Der Schmerz
Wie sanft, wie gefühlsvoll
tasten die Fingerspitzen
der kräftigen Hand des Schmerzens
dein Herz an!
Dir sind sie nicht fremd,
die sind in dir,
die sind mit dir,
die sind du, du selbst.
Zu Haus sind sie
in deiner Brust,
jede Ecke, jedes Versteck kennen sie,
jeden dunklen verborgenen Winkel
deiner Seele.
In deinem Inneren
schleichen sie herum,
ohne jegliches Licht zu benötigen.
Wie sanft, wie fein
berühren sie,
die feinen Fingerspitzen des Schmerzens,
deine Adern,
so dass ein kalter,
ein eiskalter Hauch
durch sie zieht,
von der tiefsten Stelle in dir heraufsteigend,
bis zu deiner Schlagader,
lässt dein verängstigtes Herz pochen,
belasten deinen Atem
unerträglich schwer,
um deine Acht auf sich zu ziehen,
um dich deinen Blick hinein zu werfen erzwingen.
***
Utopia
Insel, auf der sich alles klärt.
Hier steht man auf dem Boden der Beweise.
Keine anderen Wege gibt es hier
außer dem Weg des Zugangs.
Die Sträucher sind brechend voll Antwort.
Hier wächst der Baum der Richtigen Aussicht
mit dem für ewig entworrenen Zweigen.
Der belebend einfache Baum
der Einsicht
am Quell,
genannt Ach so Ist Das Also.
Je tiefer Wald einwärts
umso bereiter liegt
das Tal der Selbstverständlichkeit
offen.
Und gibt’s einen Zweifel,
dann wird er vom Wind verweht.
Das Echo meldet sich ungerufen und
klärt die Weltgeheimnisse willig.
Rechts ist die Höhle,
dort lagert der Sinn.
Links liegt der See der Tiefen Überzeugung.
Vom Boden löst sich die Wahrheit
und schwimmt mühelos nach oben.
Über das Tal erhebt sich die Unbeugsame Gewissheit.
Von ihrem Gipfel
breitet sich aus
der Sinn der Dinge.
Die Insel ist leer,
allen Reizen zum Trotz,
die an den Ufern sichtbaren kleinen Spuren
von Füßen führen ausnahmslos hin
zum Meer.
Als ginge man hier nur fort
und tauchte in den Fluten unter
ohne Rückkehr.
In Wirklichkeit
gar nicht zu fassen.
***
Die Hoffnung
Wie könnte die Angst
geschieden sein von der Hoffnung,
die ausgeplündert
vorbeigeht?
Keine Schwelle mehr
haben die Häuser,
die Lichtungen keinen Rauch.
In den Abgrund
gestürzt ist
die Sehnsucht nach Wärme-
Und jenes Restchen Dunkelheit
hinter uns,
wo die Primel sich unruhig regte,
sowie die Zukunft
hervorzulegen begann.
***
Flüchtiger Abschied
flüchtig tratst du ein
in die Kammer meiner Einsamkeit
Aus einer unbekannten Ewigkeit
Mit funkelnden Augen
die die Furcht besiegt hatten
mit nach Abschied riechenden Lippen.
Ein Blitz
unter Sonnen des Taus.
»Bis in zwei Wochen...«
undeutliches Flüstern einer brennenden Stimme,
die deine war.
Und du dachtest
es bedeute bloß eine Zahl von Tagen,
oder Wochen,
die vergehen werden.
Für mich jedoch
unendliche Tage, Stunden, Minuten, Sekunden
die ich, um sie zu kürzen
vergeblich zählen versuchte,
eine sich mit der Unendlichkeit multiplizierte Zahl;
ja, verschollen sein
auf einer von der Welt
abgeschnittenen Insel,
wieder verlassen sein
in meinem öden zertrümmerten Ich.
Meine einzige Hoffnung
dein letzter flüchtiger Kuss,
der nach Unsterblichkeit schmeckte.
eine sich nicht mindernde Qual
währenddessen eine Oase
sich verwandelte
in einem Trugbild.
Unerwartet abgeworfen
in die vertrocknete Wüste.
***
Erwartung
Ich erwarte nichts Endgültiges
Einverstanden bin ich damit
dass ich zwischen zwei ungleichen Dimensionen
hin- und herpendeln muss.
Trotzdem sind meine Wassermarken aus Blei
nicht aus Kork,
meine Spur ist aus Salz
nicht aus Rauch.
***
Oase
I
Ist es denn wahr,
jenseits der Enthauptung des Meeres,
dieses wuchernden theatralischen Plunders,
beginnt die Oase
zu leuchten.
II
In den Zeiten des Elends
Und der Improvisation
verlieren
manche
ihr Leben
nur für eine Nacht
die anderen für die Ewigkeit:
ein Lerchengesang
aus dem tiefsten Innern.
III
Hinwegspringen
über die Wirklichkeit
IV
Das redliche Grab:
ein Getreideschober.
Das Korn für das Brot,
das Stroh für den Dunghaufen.
V
Entfesselter Regen
Begünstigt
Die gründlichen Wanderer.
VI
So undurchschaubar sind
die Ziele der Wolken
Wie die der Menschen.
***